Beruf mit Zukunft? Kunststoff-Restaurator
Objekte aus Kunststoff – egal, ob Alltagsgegenstand oder Kunstwerk – haben längst den Weg in Museen oder Sammlungen gefunden. Wie alle anderen Erzeugnisse menschlicher Bemühungen sind sie den Zeitläufen unterworfen und erweisen sich als mehr oder weniger beständig gegenüber Umwelteinflüssen. Deshalb wird es immer wichtiger, sich über die Konservierung, das heißt die Schaffung optimaler Lagerbedingungen, und auch Restaurierung dieser Stücke Gedanken zu machen, um sie möglichst lange für die Nachwelt erhalten zu können.
Für diese Belange wird es notwendig sein, Restauratoren auch für die Behandlung von Kunststoffen auszubilden. Prof. Dr. Friederike Waentig ist seit September 2003 Professorin an der Fachhochschule Köln und lehrt dort Restaurierung und Konservierung von Objekten aus Holz und Werkstoffen der Moderne. Nach dem Abitur und einer Tischlerlehre studierte sie Restaurierung und Konservierung in Köln. Neben der Tätigkeit als Angestellte und freie Restauratorin für Museen, Galerien und Privatleute schloss sie ein Studium der Volkskunde, Denkmalpflege und Bauforschung mit einem Aufbaustudium Denkmalpflege ab. Sie promovierte über die Erhaltung von Kunststoffen und trat dann eine Assistenz in der naturwissenschaftlichen Abteilung des Instituts für Restaurierung und Konservierung der FH Köln an.
Wie kommt man darauf, Restauratorin für Kunststoff zu werden?
Interesse für technische Prozesse und die Faszination der unendlichen Formbarkeit der verschiedenen Kunststoffe und natürlich auch die Begeisterung für die Moderne.
Als Restauratorin bin ich geschult im Beobachten und Betrachten der Details. Über viele Jahre ist mir aufgefallen, dass Objekte, die aus Kunststoff hergestellt sind, meist vernachlässigt wurden. Das hat mich neugierig gemacht und ich habe mich näher mit dem Thema beschäftigt. Das ist inzwischen schon viele Jahre her und heute versuche ich meine Begeisterung für die Erhaltung der Kunststoffe an Studierende weiterzugeben.
Was soll restauriert werden? In einem Artikel mit dem Titel „Restaurierter Müll?“ stellt Knut Hornbogen ( „design report“, Heft 3/2005) als Position der meisten Experten dar, dass Kunstwerke, Prototypen und Produkte aus frühen Kleinserien restauriert werden sollen, während Serienprodukte jeweils neu beschafft werden können. Wie stehen Sie dazu oder provokativer: Warum Plastik restaurieren, wenn man billig alles neu machen kann?
Diese Einstellung finde ich falsch. Was machen wir, wenn kein Serienprodukt mehr existiert? Die Produktionszeit ist heute so kurz, dass unsere Nachkommen keine Chance mehr hätten, die vergangene Industriekultur kennen zu lernen. Zum Glück gibt es viele Museen, die nicht nur Prototypen sammeln, sondern auch Serienprodukte.
Außerdem ist es nicht so einfach, alles aus Kunststoff neu zu machen. Auch in der Kunststoffproduktion gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede. Die Billigwaren aus Kunststoff sind gar nicht in der Lage ein langlebiges Qualitätsprodukt aus Kunststoff zu ersetzen oder nach zu ahmen. Das Original ist und bleibt einzigartig, wie bei den Kunstwerken auch. Ich würde so gar so weit gehen, dass ich ein Kunstwerk mit einem qualitätvollen und gut gestalteten Serienprodukt in der Wertigkeit gleichsetze, wenn es um die Erhaltung geht.
Nun zu Ihrer Praxis: Wer sind die Auftraggeber? Museen, Sammlungen, Privatleute?
Unsere Auftraggeber sind Museen, Privatsammler, Galerien, Ämter. Eigentlich jede Institution oder Person, die ein Objekt aus Kunststoff erhalten haben möchten. Dabei kann es sich um Kunstwerke, Designobjekte oder technische Objekte handeln.
Und was konservieren Sie dann vorwiegend?
Das kann ich so generell nicht beantworten. Das Problem bei der Erhaltung von Kunststoffen ist, dass wir noch m Anfang stehen. Inzwischen haben wir viele Methoden entwickelt um die Objekte mittel- bis langfristig lagern zu können. Woran es noch mangelt, sind aktive Restaurierungsmethoden. Die Entwicklung neuer Methoden versuchen wir über kleine Forschungsarbeiten im Rahmen von Diplomarbeiten. Hier stehen wir auch weltweit im Kontakt zu Kollegen, die auf diesem Gebiet arbeiten. Es ist eine kleine internationale Gemeinde, wobei das Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften der FH Köln, die einzige deutsche Institution ist, die auf diesem Gebiet arbeitet.
Gibt es hoffnungslose Fälle?
Leider ja. Objekte aus Cellulosenitrat. Wir haben bisher noch keine Methode entwickeln können, die den Zerfall zurück hält.
Wie wird restauriert? Herstellung des Neuzustandes oder eher Sicherung des Vorhandenen?
Unser beruflicher Ehrenkodex verlangt von uns, den vorgefundenen Zustand zu erhalten. Das bedeutet, wir sichern den Bestand und versuchen die Lesbarkeit des Objektes erhalten. Wir dürfen nicht etwas hinzufügen, dass vorher nicht da war. Jede Hinzufügung muss belegt sein. Nur so können wir sicher sein, dass wir nicht ungesichert interpretieren oder verändern sondern beweisbar erhalten.
Darf Plastik eine Patina bekommen?
Aber selbstverständlich. Leider wird den Kunststoffen jedoch meist abgesprochen, dass sie eine Patina entwickeln können. Doch sie bilden auf jeden Fall eine Patina.
Was ist Patina bei Kunststoff: d. h. wo hören die normalen Alterungsspuren auf und beginnt der Schaden? Gibt es da eine deutliche Grenze oder ist das eher eine Geschmackssache?
Die Grenze ist schwierig zu ziehen und ist auch in Bewegung. Die Veränderung an der Oberfläche, die dem Objekt nicht schadet, stellt die Patina dar. Doch sobald die Veränderung das Objekt angreift, muss man sie als Schaden ansehen.
Leider spielt hier auch der Geschmack eine große Rolle. Meist erwartet man von den Kunststoffen, dass sie schön glänzend aussehen und keine Störungen in der Oberfläche aufweisen. Einem Holzobjekt gesteht man Kratzer zu, doch einem Kunststoffobjekt nicht. Hier muss sich unsere Einstellung noch ändern.
Wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung in der Kunststoffrestaurierung: Ist das eine Zukunftsbranche?
Auf jeden Fall. Das merke ich auch daran, dass wir immer mehr Anfragen erhalten und die Kunststoffe eben jetzt in die Jahre gekommen sind. In vielen Sammlungen stellt man plötzlich fest, dass die Objekte sich verändern und etwas passieren muss. Und wenn man sich an das Kölner Institut wendet, können wir auch meist helfen.
Das Interview führten Ellen Kreutz und Uta Scholten vom KMV im Oktober 2007.